03.08.2016

Inklusion auf der Speisekarte

Frau in Hotelzimmer beim Kissen beziehen

Eine der großen Herausforderung für unsere Beraterinnen und Berater ist es, Arbeitgeber davon zu überzeugen, dass die Integration von behinderten Arbeitnehmern durchaus sehr gut gelingen kann. Glücklicherweise gibt es immer mehr Betriebe, die sich mit dem Inklusionsgedanken beschäftigen und ihn auch erfolgreich umsetzen. Einer davon ist das Hotel Anders in Schwarzenbruck.

Hanna Schweiger *) war knapp zehn Jahre ohne Arbeit, als sie sich mit einem Vermittlungsgutschein eines regionalen Jobcenters an uns wandte. Ihre Gehörlosigkeit ließ sie jahrelang in der misslichen Lage verharren, dass sie ihre berufliche Situation aus eigener Kraft nicht ändern konnte. Weil sie im Alltag in Gebärdensprache kommuniziert, war sie nicht in der Lage, die Schriftsprache in Stellenangeboten im Hinblick auf die jeweiligen Anforderungen und das Bewerberprofil richtig zu lesen. Um ihre Bedürfnisse richtig einschätzen zu können, übernahm unser gehörloser Berater Oliver Heß die Aufgabe, Frau Schweiger zu unterstützen. Kein anderer im Haus konnte die Kommunikationsbedingungen und die Bedürfnisse von Hanna Schweiger schließlich besser einschätzen als er.

Ähnlich wie bei vielen hörgeschädigten Menschen entsprachen zu diesem Zeitpunkt auch Hanna Schweigers Bewerbungsunterlagen nicht dem aktuellen Standard und das Anschreiben wies grammatikalische Fehler auf. Das lag allerdings nicht an ihrer fachlichen Kompetenz, sondern daran, dass sie die Grammatik der Gebärdensprache gewohnt war, die sich von der Grammatik der Schriftsprache stark unterscheidet.

Sicherlich hat sie damit bei ihren bisherigen Bewerbungsversuchen viele Arbeitgeber irritiert und es kamen keine Vorstellungsgespräche zustande, weil sie hinsichtlich ihrer Kenntnisse völlig falsch eingeschätzt wurde.

Oliver Heß überarbeitete gemeinsam mit Hanna Schweiger ihre Bewerbungsunterlagen, die nun korrekt ausgearbeitet an die Arbeitgeber verschickt werden konnten.

Im zweiten Schritt besprach unser Berater mit ihr über ihre Interessen und Vorlieben. Dabei trat zutage, dass es ihr gut gefallen würde, in einem Hotelbetrieb zu arbeiten. Bislang hatte sie sich allerdings noch nie bei einem entsprechenden Arbeitgeber beworben, da sie nicht so recht wusste, wie sie es anfangen sollte, einen Betrieb zu finden, der bereit wäre, eine gehörlose Mitarbeiterin zu beschäftigen.

In den vergangenen Jahren haben wir in allen Gewerbezweigen zahlreiche Firmenkontakte aufgebaut. Einer dieser Kontakte sollte Hanna Schweiger nun einen wichtigen Schritt weitebringen. Ein Hotelbetrieb im Nürnberger Land befasste sich schon länger gezielt mit dem Thema Inklusion und hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Unterschiede zwischen behinderten und nichtbehinderten Arbeitnehmern zu vermeiden.

*) (Name geändert)

IFD-Mittelfranken
































Zum ersten Mal seit vielen Jahren wurde sie tatsächlich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen! Mit der Unterstüt-
zung eines Gebärdendolmetschers konnte Oliver Heß in die-
sem Gespräch verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten aufzeigen, so zum Beispiel mögliche Lohnkostenzuschüsse oder seine Anwesenheit in den ersten Tagen des Arbeitsver-
hältnisses.

Während einer vorgeschalteten Probebeschäftigung durfte Hanna Schweiger ihren zukünftigen Tätigkeitsbereich erst einmal in Ruhe kennen lernen. Dabei durfte sie auch „aus-
testen“, wie sie kommunikativ mit dem übrigen Personal klarkommt.

Es dauerte nicht lange, und Pia Angele, die Leiterin des Hotels, stellte sie als Hausdame fest an. Von nun an war Hanna Schweiger eigenverantwortlich im Bereich „Housekeeping“ tätig. Hier organisiert sie seither selbstständig ihren Arbeitsbereich und arbeitet eng mit der Hotelleitung zusam-
men.

Um die Kommunikation mit ihr zu verbessern, haben einige Mitarbeiter begonnen, die Gebärdensprache zu lernen. Auch das hat Pia Angele initiiert und sich in diesem Prozess intensiv um ihre Mitarbeiter gekümmert.

Nun, vorzeigbare Kompetenzen der Arbeitnehmerin und das Bemühen um den Abbau von Kommunikationshemmnissen seitens des Arbeitgebers sind sicherlich wichtige Meilensteine auf dem Weg zu einer reibungslosen Integration einer hörgeschädigten Mitarbeiterin. Trotzdem war er der Hotelleitung wichtig, dass Oliver Heß diesen Prozess auch weiterhin unterstützend begleitet. Und wenn das vom Arbeitgeber gewünscht wird und es für die Sicherung und Erhaltung des Arbeitsplatzes sinnvoll und wichtig erscheint, gibt es dafür Angebote des Integrationsamts, die die Erfüllung dieses Wunsches ermöglichen.

Nach Abschluss der Einarbeitungsphase ist das unter er-
schwerten Bedingungen geschlossene Arbeitsverhältnis in-
zwischen stabilisiert: Hanna Schweiger hebt das angenehme Arbeitsklima im Betrieb besonders hervor. Dass in „ihrem“ Hotel behinderte und nichtbehinderte Menschen eng zusam-
menarbeiten, fällt ihr schon gar nicht mehr auf. Jede Mitarbei-
terin, jeder Mitarbeiter ist auf seine Art besonders und das Credo des Betriebes „Jeder für Jeden“ ist genau das, was ihr besonders wichtig ist.

Nach all den Jahren der Misserfolge und Rückschläge sagt Hanna Schweiger nun, dass sie endlich einen Arbeitsplatz gefunden hat, welcher genau ihren Vorstellungen entspricht. Und auch von den Hotelgästen wird die Tatsache, dass im Service und in den anderen Bereichen behindertes Personal eingesetzt wird, als positiv empfunden