Regensburg – Die Säge kreischt laut in der großen Werkhalle des Holzverarbeitungsbetriebes Weinzierl in Sinzing bei Regensburg. Patrick Wittmann lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Mit geübten Handgriffen befestigt er mit einem Tacker Filz an einer Holzkiste. Der 19-Jährige wurde mit dem Sotos-Syndrom geboren. Das ist eine Behinderung, bei der Gliedmaßen vergrößert sind und Lernschwierigkeiten auftreten können. „Was heute so routiniert aussieht, ist das Ergebnis gemeinsamer Anstrengungen“, erklärt Manina Sobe, Leiterin des Integrationsfachdienstes Oberpfalz (ifd). Um den jungen Mann erfolgreich zu einem Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt zu verhelfen, zogen Eltern, Schule und Ämter gemeinsam mit den Beratern des Fachdienstes an einem Strang. Der ifd tat dabei das, was er am besten kann: Abläufe steuern und das Netzwerken, sagt Sobe.
1998 wurden die Integrationsfachdienste als Modellprojekt des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales von der Katholischen Jugendfürsorge Regensburg, Augsburg und den Rummelsberger Anstalten der Inneren Mission e.V. ins Leben gerufen. „Heute haben sie sich in Bayern zu einer festen Institution in der beruflichen Inklusion von behinderten Menschen entwickelt“, betont Sobe, die von Anfang an dabei war und den Fachdienst mit aufgebaut hat. Integrationsfachdienste unterstützen behinderte Menschen bei der Suche nach einer Ausbildungs- oder Arbeitsstelle. Zudem stehen sie bei Schwierigkeiten im Berufsalltag zur Seite. „Es wurden gut funktionierende Strukturen geschaffen“, ist Sobe überzeugt. Ein Netzwerk, das für behinderte Menschen verschiedene Varianten der Beschäftigung bereit halte. „Es geht darum, individuelle Lösungen für den einzelnen Menschen zu finden“, betont sie. Die Bandbreite sei weit und reiche vom ersten Arbeitsmarkt bin hin zur Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen. „Für Betroffene ist wichtig, dass eine passende Lösung gefunden wird.“
Fast 13 000 Menschen haben die bayerischen Integrationsfachdienste im Jahr 2017 rund um ihre beruflichen Fragestellungen unterstützt. Etwa dreiviertel der Beauftragungen des Fachdienstes kommen vom Inklusionsamt. Einen großen Teil der Arbeit der ifd-Berater mache die Sicherung von Arbeitsverhältnissen mit schwerbehinderten Menschen aus. „Wir kommen auf Wunsch der Arbeitgeber in den Betrieb und versuchen Lösungen für bestehende Probleme zu finden“, sagt Sobe. Darüber hinaus sei der Fachdienst vertraulicher Ansprechpartner für Beschäftigte mit Handicap.
Doch auch die Agentur für Arbeit, die Jobcenter, die Rentenversicherungen und andere, zum Beispiel die Unfallversicherungen, greifen auf die Kompetenzen des Fachdienstes zurück. „Die Arbeitgeber schätzen, dass sie mit uns einen Ansprechpartner haben und alles aus einer Hand erledigt wird“, sagt Sobe, die den Regensburger Dienst mit Außenstellen in Weiden, Schwandorf, Amberg, Neumarkt und Cham leitet. „Wir arbeiten mit vielen Arbeitgebern und ihren Schwerbehindertenvertretern schon lange eng zusammen. Man kennt sich.“
Die Integrationsfachdienste in den einzelnen Regierungsbezirken gehören zu verschiedenen Trägern. Doch von Anfang an gab es die Landesarbeitsgemeinschaft, die dafür sorgt, dass die ifd gegenüber der Politik „mit einer Stimme“ sprechen“, erklärt Sobe. Das Gremium definiert Qualitätsstandards und entwickelt für Bayern Projekte wie zum Beispiel „Übergang-Förderschule-Beruf“ an dem auch Patrick Wittmann teilnahm und durch das er erfolgreich einen Arbeitsplatz fand. „Die Maßnahme beginnt während der Schulzeit und unterstützt Menschen mit Behinderung bei der beruflichen Orientierung“, erklärt Sobe. Nach dem Schulabschluss werden die jungen Menschen bei der Erprobung in Betrieben begleitet, bis ein passender Arbeitsplatz gefunden wird und das Arbeitsverhältnis stabil ist.
Das Projekt läuft seit 2007 und ist mittlerweile eine feste Reha-Maßnahme. Mehr als tausend Förderschüler haben es laut Sobe in Bayern durchlaufen und fast die Hälfte von ihnen hat einen Arbeitsplatz in der freien Wirtschaft gefunden. „Das ist ein riesiger Erfolg“, sagt sie. Darüber hinaus gäbe es das Projekt „Berufsorientierung individuell“ für alle Schulen. Es richtet sich an junge Menschen, die behindert oder davon bedroht sind. Das Programm läuft mehrere Monate und unterstützt bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz. „Hier ist es uns oft gelungen, Jugendliche zu stabilisieren und eine Behinderung abzuwenden“, ist Sobe überzeugt. „Wir bauen Brücken im Sinne der Menschen“, sagt Sobe. Für die Zukunft wünscht sich die Leiterin des Oberpfälzer Fachdienstes vor allem eins: „Ich hoffe, dass wir auch künftig immer aufgeschlossene Arbeitgeber finden, die behinderten Menschen eine Chance geben, sich auf dem Arbeitsmarkt zu bewähren.“
Text: Martina Groh-Schad
Bilder: Martina Groh-Schad